Juri Johansson & Stefanie Jeschke: Von Schildflöten, Herdmännchen und Großmaulnashörnern

Ein Anti-Langeweile-Bilderbuch

Während auf internationalen Konferenzen über Strategien gegen das weltweite Artensterben verhandelt wird, gibt es auch gute Nachrichten. Zwanzig bislang kaum bekannte Tierarten, die garantiert nicht in Brehms Tierleben zu finden sind, beschreibt Juri Johansson in seinem Bilderbuch Von Schildflöten, Herdmännchen und Großmaulnashörnern. Jedem von ihnen ist eine Doppelseite gewidmet, links mit einem fantasievollen, witzigen, teils absurden lexikonartigen Text, rechts mit einer bezaubernden, farbenfrohen und hervorragend dazu passenden Illustration der Geschöpfe in ihrem natürlichen Habitat von Stefanie Jeschke. Nicht ganz falsch liegt, wer dabei an Loriots Steinlaus aus seinem Sketch von 1976 denkt, die 1983 Aufnahme in das klinische Wörterbuch Pschyrembel fand. Wie Loriot ahmt Juri Johansson einerseits den trockenen Stil lexikalischer Einträge nach und konterkariert ihn andererseits durch Sprachwitz, Wortspielereien und inhaltlichem Schabernack.

Beispiele gefällig?
Da sind die Pyjamalamas, die, da das Kleidungsstück nicht mitwächst, regelmäßig den zu klein gewordenen Pyjama hinters Bett werfen, um in einen größeren zu schlüpfen. Sie sind ausgewiesene Couchpotatos und bewegen sich nach Möglichkeit nur bis zum Kühlschrank.

Wiesel, Wiesosel und Warumsel werden fälschlicherweise oft für Nagetiere gehalten, gehören jedoch eindeutig zur Gattung der Fragetiere und sind renitente Durchdringer“.

Eine eher unangenehme Zeitgenossin ist die ständig eingeschnappte Schmolle, die „beleidigte Leberwurst“ der Meere. Wer auf eine übellaunige Schmolle trifft, braucht viel „Flossenspitzengefühl“.

© B. Busch

Ein Tollpatsch der besonderen Art ist die Schlamassel-Assel, mein Lieblingstier im Buch. Sie lässt kein Fettnäpfchen aus und versteckt sich verschämt unter Steinen und feuchtem Laub.

Ob Herdmännchen mit Chefkochschürze, Säbelzahn-Hörnchen in Siegerpose oder Ichwardasnicht-Kranich mit Unschuldsblick, alle sind von Stefanie Jeschke mit viel Liebe ins Bild gesetzt und doch hatte ich bei fast allen auch einen passenden Menschen vor Augen…

© B. Busch

Ein Feuerwerk der Fantasie und Sprachkunst
Man merkt beiden Künstlern den Spaß bei der Arbeit an, der sich auch prompt überträgt. Der hintergründige Sprachwitz und der Einfallsreichtum wirken aber nicht nur passiv, sie wecken zugleich auch Lust auf eigene Tierkreationen in Wort und Bild – sei es für sich allein, im Familienkreis, beim Kindergeburtstag oder im Grundschulunterricht.

© B. Busch

Große Empfehlung fast ohne Altersbeschränkung
Ich habe dieses absolut originelle Bilderbuch während eines Berlinaufenthalts in der Tucholsky-Buchhandlung entdeckt, die mit ihrem außergewöhnlichen Sortiment unbedingt einen Besuch lohnt. Hier bekommen auch selten präsentierte Bücher aus unabhängigen Kleinstverlagen wie dem erst 2021 gegründeten Berliner Kraus Kinderbuch Verlag eine Chance.

Wer wie ich leicht schräge, kreative, aus dem Rahmen fallende Bilderbücher liebt, hat an dem auch von Denis Scheck und der Internationalen Jugendbibliothek München empfohlenen Von Schildflöten, Herdmännchen und Großmaulnashörnern garantiert langanhaltend Freude. Dabei ist es egal, ob man Kind ab etwa fünf Jahren oder aufgeschlossener Erwachsener ist, Grund zum Lachen gibt es für jedes Alter. Selberlesen können Kinder das bei Antolin gelistete Buch natürlich auch, sobald Wortungetüme wie „Pyjamalamamama“ oder „gepuderzuckerte Schokoschaben“ kein Hindernis mehr darstellen.

Juri Johansson & Stefanie Jeschke: Von Schildflöten, Herdmännchen und Großmaulnashörnern. Kraus Kinderbuch 2022
kraus-verlag.de

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